Die Waschjungfer
am Zudar
Die Seejungfern sind überall auf der Insel Rügen heimisch, besonders
gern aber halten sie sich an der Küste von Zudar auf. In schönen Sommernächten
tauchen sie aus dem Wasser empor und führen an den Ufern ihre Reigentänze
auf. Niemand hat sie bisher aus der Nähe gesehen, weil der Nebel, das
Gewand der Seejungfrauen, neugierigen Augen den Blick verwehrt. Man
sagt, das sei auch gut; denn wer einmal eine Seejungfrau ganz aus der
Nähe gesehen habe, müsse ihr in das Meer folgen. In der Johannisnacht
erscheint jährlich irgendwo an der Küste der Halbinsel Zudar eine Waschjungfer,
eine Art Seejungfer, und wäscht dort ihr Zeug aus. Jeder kann hören,
wie sie mit dem Waschholz auf die nassen Kleider klopft. Aber es ist
auch schauerlich anzuhören, denn gleichzeitig ertönen unter Wasser die
Glocken, welche auf dem Grunde des Meeres liegen; sie geben einen dumpfen
Ton. Die armen Landarbeiter erzählten sich häufig Geschichten über sagenhafte
Schätze. Immer war ihre Hebung mit Schwierigkeiten verbunden, und niemals
schafften es die Beteiligten, die Reichtümer zu bergen.
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Der Schatz
im Poltenbusch
Etwa hundert Schritte östlich von der Straße Garz - Zudar liegt ein
kegelförmiges Hünengrab, das wird im Volksmund "der Poltenbusch" genannt.
Die Leute sagen, beim Poltenbusch spukt es. Andere sprechen von großen
Schätzen unter dem Poltenbusch. Einst sah eine Frau, die vom Dorf Zudar
nach Garz ging, helles Licht im Poltenbusch brennen. Als sie näher ging,
erkannte sie einen Mann, der dort saß und Geld zählte. Die Frau gehörte
nicht zu den Schüchternen. Kaum gewahrte sie das viele Geld, kniete
sie schon nieder und füllte sich ihre umfangreiche Bauernschürze damit.
Doch nicht zufrieden, mietete sie sich in Garz ein Fuhrwerk und kehrte
zum Fundort zurück, um noch mehr zu nehmen. Mit dem Fuhrmann lud sie
soviel auf den Wagen, wie dieser fassen konnte. Als der Fuhrmann antrieb,
um schnell nach Hause zu kommen, blieb das Tier wie festgebunden auf
der Stelle stehen. Weder Peitsche noch gütiges Zureden half. Es blieb
nichts weiter übrig, als Hilfe zu holen. Als sie nach zwei Stunden wiederkamen,
war der Wagen leer. Der Schatz war verschwunden. Die Helfer lachten
beide aus.
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Störtebekers
Grab
Auf der kleinen Insel Tollow südlich von Zudar inmitten der Malziner
Wiek soll Störtebeker begraben liegen. Seine Leiche ruht in einem goldenen
Sarg, der an einer goldenen Kette angebunden ist, deren Ende bis direkt
unter die Erdoberfläche reicht. Manche sagen, der Sarg ist auf der Insel
beigesetzt, andere erzählen, er steht auf dem Meeresgrund in der Seenhallig.
Viele Menschen haben im Laufe der Jahre nach der goldenen Kette gegraben,
um den Sarg zu finden, aber immer vergebens. Und doch ist das Geheimnis,
wo der Schatz ruht, nicht unbekannt. Immer ein Fischer in einem benachbarten
Küstendorf kennt den Ort. Es ist ihm untersagt, anderen Menschen davon
zu reden. Erst kurz vor seinem Tod muss er sein Wissen einem anderen
Fischer anvertrauen, damit es nicht vergessen wird. So kommt es, dass
immer nur ein Lebender die Stelle des Begräbnisses kennt. Niemand aber
weiß, wer zur Zeit im Besitz des Geheimnisses ist.
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